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Charakter als Natur

Wenn wir über Charakter sprechen, dann denken wir dabei oft an etwas, dass uns gewissermaßen natürlich und unvermeidlich innewohnt. Der Charakter eines Menschen wird gerne als etwas gesehen, dass uns vielleicht bei Geburt, vielleicht aber auch in den ersten Jahren unserer psycho-sozialen Entwicklung mitgegeben wird. In beiden Fällen wird Charakter jedoch als etwas gesehen, dass als unveränderlich gilt. Der Charakter entspricht unserer grundlegenden Wesenheit, welche im Kern scheinbar ein Leben lang erhalten bleibt. Dies entspricht einem Bild von grundlegenden Ansichten und Perspektiven auf die Welt sowie auch einem Bild gelernter, automatisierter Handlungs- und Reaktionsweisen. Es entspricht einem Bild des Menschen als unfreiwilles Wesen.

 

Eine neue Sichtweise

Eine radikal andere Sichtweise auf den Charakter könnte darin bestehen, den Charakter als etwas zu betrachten, dass gerade erst durch freie Wahl definiert ist. Der Charakter kann auch als etwas angesehen werden, dass darin besteht,  welche Werte und moralische Standards wir für uns festgelegt haben. „Festgelegt“ bedeutet hier nicht einfach ausgesucht. Werte können einen Charakter nicht definieren, weil sie einem zu einem bestimmten Zeitpunkt als attraktiv erschienen sind. Wert können erst dadurch festgelegt werden, dass tiefgreifenend über sie reflektiert wurde und sie folglich dessen als unumstößlich richtig definiert wurden. Das bedeutet, dass Charakter nichts ist, was einem überhaupt mitgegeben werden könnte (durch Geburt oder Erziehung). Sondern das Chrakter etwas ist, dass erst erworben werden muss (und auch keinesfalls automatisch erworben wird). Charakter ist eine persönliche Errungenschaft und weniger ein naturgegebenes Privileg.