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Auch wenn sich der dem Buddhismus zugeschriebene Ausspruch „Der Weg ist das Ziel“ zum geflügelten Wort in unserer Gesellschaft gemausert hat, so bleibt der Anschein bestehen, dass letztlich für die meisten von uns eben doch „das Ziel das Ziel ist“.

Das Ideal unserer Veränderungsprozesse besteht in einer radikalen spontan-Transformation, könnte man sagen: Die Idealvorstellung einer persönlichen Veränderung besteht darin, dass wir und ad hoc verändern, das geheime Kräfte in uns zu Tage treten oder sich überhaupt herausstellt, dass die Welt sich als anders herausstellt als es bis dahin dachten. Beispiel hierfür finden sich in verschiedensten Superhelden-Epen (z.B. Spiderman, the incredible Hulk, black Panther), Science-Fiction-“Klassikern“ (Matrix oder auch Avatar) oder auch in der gegenwärtigen Unterhaltungsliteratur (wie etwa bei Harry Potter). In den genannten Beispielen, werden spontan ungeahnte Kräfte des Haupt-Akteurs entfesselt, welche ihn zu einem zentralen Akteur innerhalb seiner Welt machen. Gleichzeitig bleiben die jeweiligen Haupt-Akteure an und für sich dabei die selben Personen mit all ihren charakterlichen Stärken und Schwächen, Wünschen und Ängsten. Sie müssen sich nicht eigentlich ändern, um besonders zu werden; die Besonderheit wird ihnen stattdessen aufgetragen oder plötzlich zugeschrieben.

Nun ist es freilich nicht so, dass alle erfolgreichen Bücher und Filme der Gegenwart diesem Muster folgen; es scheint allerdings so, als ob sich Geschichten nach diesem Muster besonderer Popularität erfreuen.Es macht den Eindruck, als ob dieser Prozess, dieser Wechsel von 0 auf 1 dem primären Wunschgedanken unserer Gesellschaft entspricht. Es lässt sich etwa auch an der Beliebtheit von diversen Talent-Shows ablesen, welche ja nicht dazu gemacht sind, Talente zu entwickeln, sondern solche zu entdecken. Wieder zeigt sich dabei der Wunsch danach, die eigentlich schon vorliegende Begabung doch bitte freizulegen. Aber auch abseits der Unterhaltungsindustrie lässt sich ein ähnliches Muster erkennen: Die Startup-Kultur, welche sich ins Zentrum der ökonomischen Aufmerksamkeit katapultiert hat, betont zwar immer wieder, dass Erfolg nur durch Fleiß zu erreichen ist; gleichzeitig gilt das vorrangige Interesse von Gründern und Investoren oftmals dem Potential, möglichst schnell möglichst rasch zu wachsen. Der Fokus verschiebt sich damit weg vom Betrieb eines Unternehmens hin zum Erfolg des Unternehmens.

Wir wollen nicht werden, wir wollen primär sein. In dem Film „Switch“ erlangt der Hauptdarsteller (Adam Sandler) eine magische Fernbedienung, mit deren Hilfe er in seinem Leben „vorspielen“ kann. Nachdem er durch eine anstrengende Phase seines Jobs geht, nimmt er diese Hilfe gerne an. Er spielt vor, um das Projekt beendet zu haben, dann spielt er vor bis er endlich seine Beförderung bekommen hat und so weiter. Am Ende leitet er das Unternehmen; allerdings hat er den Weg dorthin nicht erlebt, sondern übersprungen. Er hat keine Probleme bewältigt, er ist nicht daran gewachsen; vielmehr ist er eben in eine ad hoc andere Welt gesprungen ohne seinen Teil dazu beizutragen.

Es ist natürlich denkbar, sich so etwas zu wünschen. Es ist denkbar, dass wir uns nicht verändern wollen; es ist vermutlich eher die Regel denn die Ausnahme; Veränderung ist anstrengend und wir sind faule („effiziente“) Wesen. Aber was bleibt dann nach? Welche Geschichte haben wir zu erzählen?

Popper sagt: „Alles Leben ist Problemlösen“; und doch wollen wir keine Probleme lösen, wir wollen sie nur gelöst haben. Aber gerade im Problem-Lösen liegt der Fortschritt, der uns als Individuen wie auch als Menschheit vorankommen lässt. Indem wir Probleme lösen, lernen wir. Indem unsere PRobleme gelöst werden, indem sich die äußeren Umstände plötzlich verändern, gibt es nichts zu lernen. Wir müssen uns nicht anpassen, weil sich unsere Umwelt an uns anpasst. Das ist eine Vorstellung großer Macht; aber nicht die Vorstellung von Evolution, wie wir ihr täglich begegnen.

Aber abgesehen von der pragmatischen Beschränkung, dass wir uns daran zu gewöhnen haben, Probleme zu lösen: Der Prozess des Probleme Lösens macht doch auch Spaß; er macht uns dazu, wer wir sind. Wir bewundern jene, die die größten Probleme bewältigt haben, die sich „von der Tellerwäscherin zur Millionärin“ hochgearbeitet haben; nicht jene, die zufällig im Lotto gewonnen haben. Wir blicken auf unsere Biografien zurück mit all den Aufgaben, die uns das Leben gestellt hat und wie wir versucht haben, damit umzugehen. Krebs zu heilen ist der heilige Gral der Medizin – auch weil es eben so schwierig ist – ein Heilmittel zu finden. Keine Gralssuche beginnt im eigenen Küchenschrank.

Ich weiß aber auch nicht, wie wir damit umgehen können, dass uns das Werden, das Lösen der Probleme selbst wieder besser gefällt. Wie können wir auf Probleme blicken, damit sie uns nach vorne bringen. Vielleicht gerade so: Umso größer das Problem, desto mehr können wir lernen. Umso größer das Problem, desto größer auch die Heldensaga. Umso größer das Problem, desto größer machen wir uns selbst, indem wir uns aufmachen, das Problem zu lösen und gegen alle Widrigkeiten versuchen, unseren Weg zu gehen und den Weg damit für andere zu ebnen.